Islamisches Erwachen

Das sogenannte Islamische Erwachen (arabisch الصحوة الإسلامية, DMG aṣ-ṣaḥwa al-islāmīya), auch Wiedergeburt bzw. Re-Islamisierung bezeichnet das erneute Aufkeimen des Islam in der gesamten islamischen Welt, das in den 1970er Jahren begann und sich in einer größeren Religiosität sowie einem wachsenden Einfluss der islamischen Kultur äußert.[1]

Einer der ersten, die den Begriff benutzten, war der ägyptische Finanzwissenschaftler Ahmad an-Naggār, der als einer der Gründerväter des Islamischen Bankwesens gilt. Er veröffentlichte 1977 ein Buch mit dem Titel Der Weg des islamischen Erwachens. Banken ohne Zinsen (Manhaǧ aṣ-ṣahwa al-Islāmīya. Bunūk bilā fawāʾid). Darin beschreibt er die Frühgeschichte des islamischen Bankwesens. Dieses habe sich entwickelt, als zu Beginn des „islamischen Erwachens“ in Ägypten die muslimischen Prediger auf die Gefahr des auf dem Zinsverbot gegründeten Bankwesens „für die Religion und Glaubensüberzeugungen der Umma sowie für die seelische Entwicklung der Menschen der verschiedenen islamischen Völker“ aufmerksam wurden.[2]

Das „Islamische Erwachen“ ist eine Abkehr von der Verwestlichung oder Modernisierung, die in vielen arabischen und asiatischen Regierungen im 20. Jahrhundert üblich war. Sie ist oft verbunden mit der Bewegung des politischen Islams, dem Islamismus, und anderen Formen der Islamisierung. Während das islamische Erwachen auch durch religiösen Extremismus und Attacken auf Zivilisten sowie militärische Ziele durch Extremisten begleitet war, vertritt nur ein kleiner Teil der Bewegung diesen Extremismus.

Ein herausragendes Beispiel ist die Zunahme der Teilnahme am Haddsch, der jährlichen Pilgerfahrt nach Mekka, welche von 90.000 Pilgern im Jahre 1926 auf zwei Millionen im Jahre 1979 wuchs.[3]

Aus einer westlichen Perspektive waren die beiden wichtigsten Ereignisse, die das Wiederaufleben anregten, das arabische Ölembargo und die nachfolgende Vervierfachung des Ölpreises Mitte der 1970er Jahre sowie die iranische Revolution 1979, welche eine islamische Republik im Iran unter Ajatollah Chomeini schuf. Ersteres war der Grund für einen Zufluss von mehreren Milliarden Dollar aus Saudi-Arabien, um islamische Bücher, Gelehrsamkeit und Moscheen in der gesamten Welt zu finanzieren; das zweite Ereignis untergrub die Annahme, dass Verwestlichung die muslimischen Länder stärke und unumkehrbar sei.

Der Trend wurde durch Geschichtswissenschaftler wie John L. Esposito[4] und Ira Lapidus besonders erwähnt. Eine verbundene Entwicklung ist die des transnationalen Islams, welcher durch die französischen Islamforscher Gilles Kepel und Olivier Roy beschrieben wird. Er umfasst die Wahrnehmung einer wachsenden „universalistischen islamischen Identität“, die oft von muslimischen Einwanderern und ihren Kindern, die in nichtmuslimischen Staaten leben, geteilt wird.[5]

„Die zunehmende Integration der Weltgesellschaften als Ergebnis der verbesserten Kommunikation, Medien, Mobilität und Migration macht das Konzept eines einzigen Islam, der überall in gleicher Weise ausgeübt wird, und eines Islam, der nationale und ethnische Bräuche überwindet, bedeutsam.“

Ira Lapidus[6]

Allerdings fördert diese Entwicklung nicht zwangsläufig transnationale politische oder soziale Organisationen:

„Weltweite muslimische Identität setzt nicht notwendigerweise oder gar gewöhnlicherweise organisierte Gruppenaktivität voraus. Obwohl Muslime ein weltweites Zugehörigkeitsgefühl verspüren, schlägt das wahre Herz des muslimischen religiösen Lebens außerhalb der Politik – in örtlichen Vereinigungen für Gottesdienst, Diskussion, Nachbarschaftshilfe, Bildung, Wohltätigkeit und andere gemeinschaftliche Tätigkeiten.“

Ira Lapidus[5]
  1. Lapidus, S. 823.
  2. Vgl. Aḥmad an-Naǧǧār: Manhaǧ aṣ-ṣahwa al-Islāmīya. Bunūk bilā fawāʾid. Al-Fikr al-ʿArabī, Kairo, 1977. S. 88.
  3. Kepel, Gilles, Jihad: on the Trail of Political Islam, Harvard University Press, 2002, S. 75.
  4. Haddad/Esposito S. xvi.
  5. a b Lapidus, S. 829.
  6. Lapidus, S. 828.

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